Eines der berühmtesten Filmzitate ist das aus »Casablanca«, wo Humphrey Bogart zu Ingrid Bergman sagt: »Here’s looking at you, Kid – Ich schau dir in die Augen, Kleines!« Dieser Satz ist sozusagen die Quintessenz des ganzen Films: Ein Blick sagt mehr als tausend Worte.
Aber warum tut Humphrey Bogart das, und warum tun wir anderen das auch immer wieder – einander in die Augen schauen? Wahrscheinlich versuchen wir einander im wortwörtlichen Sinne zu durchschauen. Wir fassen die Augen des Menschen ja als Fenster auf, die uns einen Einblick in Seele und Charakter des anderen gewähren.
Bereits in der Steinzeit haben die Menschen den Augenkontakt zu Bekannten und Fremden gesucht, um blitzartig beurteilen zu können, ob der Mensch im Lendenschurz und mit blutiger Steinaxt, den man da auf einmal mitten im Urwald vor sich hatte, ganz okay war, oder ob er böse Absichten hegte. Wenn er mit nervös flackerndem Blick schaute oder versuchte, einen mit aggressivem Gesichtsausdruck niederzustarren, sollte man den Fremden wohl besser nicht mit auf die Mammutjagd im Busch einladen. Begegnete der unbekannte Steinzeitmann einem dagegen mit freimütigem Blick und spielten vielleicht sogar Lachfältchen um seine Augen, dann konnte man ihn bestimmt ungestraft auf ein Gläschen Drachenblut mit nach Hause in die Steinzeithöhle nehmen.
Wie so oft müssen wir auch in diesem Fall feststellen, dass sich seit der Steinzeit eigentlich nicht viel geändert hat. Zeig mir, wie du guckst, und ich sage dir, wer du bist, so lautet das Motto unter Fremden bis zum heutigen Tag. Probieren Sie das mal aus, wenn sie wieder ihren Bankkredit neu verhandeln müssen. Wie guckt Ihr Bankberater, wenn er das Wort »Risikovorsorge« ausspricht – freimütig oder mit unstetem Blick oder vielleicht sogar mit einem sadistischen Lächeln?
Nun schrieb ich gerade, dass sich seit der Steinzeit nicht viel geändert habe. Das stimm so nicht ganz. Früher befanden sich Augen stets mitten im Gesicht. Das tun sie heutzutage nicht mehr unter allen Umständen. Es gibt nämlich jetzt eine ganze Reihe von Drachen, Monstern und Mutationen zum Beispiel in Computerspielen. Deren Augen befinden sich oft an den merkwürdigsten Körperstellen: an den Armen, an den Schwänzen, unter den Füßen oder am Hinterkopf. Es gibt keine Grenzen mehr dafür, wie bekloppt das aussehen kann. Uaaaahhh!!!
Was machen wir da bloß mit dem kleinen Steinzeitmenschen, den wir alle in uns tragen, wenn wir mit Drachen und Monstern der Computerwelt konfrontiert werden? Wie sollen wir ergründen, ob diese wunderlichen Biester uns nun wohlgesonnen sind oder nicht, wenn sie keine Augen im Kopf haben?
Dieser nicht unwesentlichen Fragestellung ist eine Forschergruppe in den USA – wo sonst? – streng wissenschaftlich nachgegangen. Und um das Ergebnis vorwegzunehmen: Alles gut! Die Versuchspersonen haben im Experiment gezeigt, dass sie immer sofort die Augen eines anderen Wesens finden, egal ob es sich nun um einen Menschen, ein Monster oder beides zugleich handelt.
Die Form der Augen und ihre Darstellung sind in unserer Seele und unserem Gedächtnis so tief verankert, dass wir immer darauf fokussiert bleiben, gleichgültig, ob sich die Augen im Gesicht einer wunderschönen Prinzessin befinden oder auf den Füßen eines richtigen Scheißkerls von einem Monster.
Jetzt fehlt nur noch eine neue wissenschaftliche Studie, um zu klären, was wir eigentlich mit unserem Wissen über die Augen eines Monsters anfangen sollen, wenn wir uns bereits in den Klauen eines bösen Untiers befinden.
Die Bemerkung »Ich schau dir in die Augen, Kleines!« wäre hier sicher fehl am Platze.